Der einsame St. Stephan

Die aufmerksame Spaziergängerin kreuzt in Köln viele Kirchen, vor allem katholische. Manche sind alt wie die Kartäuserkirche, manche sind jünger wie die Kirche Christi Auferstehung am Lindenthaler Kanal. Und andere überraschen durch einen freistehenden Kirchturm, einen sogenannten Campanile. Das Wort stammt vom italienischen campana, der Glocke.

Einen solchen Campanile finden wir an der Bachemer Straße in Lindenthal. Dort steht die Kirche St. Stephan. Auf dem Foto ist das Gemeindehaus von St. Stephan mit dem Kreuz am Giebel zu sehen und rechts im Hintergrund der Kirchturm.

Der Turm ist etwas zurückgesetzt von der Straße und schön eingerahmt von Bäumen. Im Abendlicht leuchtet der rote Backstein und bildet einen tollen Farbkontrast zum Grün der Bäume und zum blauen Himmel.

Der Kirchturm von St. Stephan war nicht immer ein Campanile, sondern bildete ursprünglich den Abschluss eines neogotischen Kirchenschiffs. Das zeigt uns diese Postkarte von 1906. Damals hatte der Kirchturm außerdem noch eine hohe Spitze, die heute genauso wie das frühere Kirchenschiff fehlt.

St. Stephan (Zustand 1904), Postkarte von 1906, gemeinfrei https://commons.wikimedia.org/wiki/File:St._Stephan_alt-Ansicht.jpg

Wie die Kirche ihre Spitze verlor

St. Stephan wurde in den 1880er Jahren gebaut. Lindenthal war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stark gewachsen und die bereits bestehende katholische Gemeinde zu klein, um alle Gläubigen zu empfangen. So fand 1884 die Grundsteinlegung an der Bachemer Straße statt und 1887 die Einsegnung der neuen Kirche. Bei der Namenswahl war man wenig kreativ: Zu Alt St. Stephan, der bereits zuvor ansässigen Gemeinde des Krieler Dömchens, gesellte sich St. Stephanus.

Ein Luftangriff zerstörte die Kirche im Mai 1941, lediglich der Turm blieb weitgehend unbeschädigt. Er brannte bei einem weiteren Bombenangriff 1944 völlig aus. Der Schaden an St. Stephan war so groß, dass das Gotteshaus nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wieder aufgebaut werden sollte und als Baumaterial für andere zerstörte Gebäude diente.

In den 1950er Jahren kam es zur Kehrtwende: Das Erzbistum Köln entschied, St. Stephan wiederaufzubauen. Hinter dem Campanile, der auf der Ruine des früheren Kirchturms errichtet wurde, entstand der neue Kirchenbau. Nach der Grundsteinlegung 1960 weihte der Kölner Kardinal Frings die Kirche 1961.

St. Stephan verbindet den roten Backstein des Campanile mit dunklen metallenen Eingangstüren und einem hellen Glaskubus. Damit entfernt sich der Bau weit von der Kirche, wie sie im 19. Jahrhundert aussah. Der Turm, seiner Spitze beraubt, ist das einzige Überbleibsel des ursprünglichen neogotischen Bauwerks.

Ein Spaziergang an einem sommerlichen Abend zu St. Stephan lohnt sich. Das Ensemble ist spannend und seit 1985 auf der Denkmalliste der Stadt Köln. Nicht zuletzt hat der Kirchturm inzwischen Untermieter: Abends sausen viele Fledermäuse zwischen Campanile und den Bäumen auf dem Kirchengelände herum.

1 Kommentar

  1. annegretstein sagt:

    Liebe Luise, gefällt mir sehr gut. Ich habe es an Mutter weiter geleitet. Liebe Grüße Annegret 

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