Unter dem Hügel liegt die Stadt

Es gibt ein Kinderbuch, in dem eine Maus und ein Elefant Verstecken spielen. Es läuft nicht gut für den Elefanten, bis er die Idee hat, sich anzumalen und als Hügel zu verstecken. Unser heutiges Fundstück ist der Elefant aus dem Kinderbuch: ein unscheinbarer Hügel im Grüngürtel, unter dem sich Geschichte verbirgt, nämlich Trümmer aus dem Zweiten Weltkrieg.

Es geht um den Aachener Berg im Grüngürtel, am südlichen Ende des Aachener Weihers. Nähern wir uns dem Aachener Berg aus dem Süden über den Alphons-Silbermann-Weg, von der Universität kommend. Wir überqueren die Bachemer Straße an der vielbevölkerten Ampel und blicken auf den Aachener Berg (oder eher Hügel) in Gestalt einer sanften Erhebung.

Der Aachener Berg von der Bachemer Straße aus

Während der Mittelstreifen des Hangs mit Wiese bedeckt ist, befinden sich linker- und rechterhand Bäume. Offiziell heißt dieser Teil des Grüngürtels seit 2001 Hiroshima-Nagasaki-Park.

Der Hiroshima-Nagasaki-Park, Blick von der Bachemer Straße

Erklimmt man den Hügel, so erkennt man, dass es eigentlich eine Hügellandschaft mit zwei unterschiedlich großen Hügeln und einer mittigen Talmulde ist. Der höchste Punkt liegt mit 25 Metern über dem Niveau der Aachener Straße im Osten, nahe des Bahndamms. Unmittelbar an den Hügel schließt sich im Norden der Aachener Weiher an.

Blick vom Hügel nach Osten. Im Norden ist der Aachener Weiher zu erkennen.

Während der Aachener Weiher bereits in den 1920er Jahren angelegt wurde, ist der Aachener Berg erst nach 1945 entstanden. Wir stehen hier auf den Trümmern der Kölner Altstadt.

30 Millionen Kubikmeter Trümmer

1945 war die Kölner Altstadt durch alliierte Bombenangriffe zerstört, das restliche Stadtgebiet großteils verwüstet. Mit der Rückkehr der Bevölkerung und dem Wiederaufbau stand Köln wie viele andere Städte vor der Frage: Wohin mit dem ganzen Schutt?

Insgesamt fielen in Köln etwa 30 Millionen Kubikmeter Schutt infolge des Krieges an, davon allein 11,5 Millionen in der Altstadt. Während in anderen Städten die Trümmer als Baumaterialien Wiederverwendung fanden, war dies in Köln kaum der Fall. Sand und Kies waren als günstige Baustoffe entlang des Rheins ausreichend vorhanden.

Trümmerberge entstehen

Zuerst landeten die Trümmer beim Aufräumen überall, wo Platz war, u.a. auf dem Maifeld. Das Maifeld war ein Aufmarschplatz, den die Nazis im Grüngürtel südlich des Aachener Weihers für Paraden angelegt hatten. Er sollte 200 000 Menschen Platz bieten. Nun verschwand das Maifeld unter dem Schutt des Krieges, den die Nazis verursacht hatten.

Anfang der 1950er Jahre schlug eine Runde um Kurt Schönbohm, Leiter des Grünflächenamtes, vor, Trümmerbeseitigung und Stadtgestaltung zusammenzubringen. Es sollten an verschiedenen Stellen begrünte Trümmerlandschaften entstehen. Auf diese Weise könnte der Schutt verräumt werden und gleichzeitig kleine Hügel Einzug halten im Stadtbild. Elf Orte wurden auserkoren, darunter der Rand des Beethovenparks in Sülz und zwei Bereiche im Grüngürtel. Es handelte sich um das Gelände östlich der Herkulesstraße, heute als Herkulesberg bekannt, und das ehemalige Maifeld.

So wurde in den Folgejahren der Schutt per LKW an das Südende des Aachener Weihers angeliefert. Die Planung sah sanfte Hügel mit kleinen Terrassen vor, um spätere Erdbewegungen zu vermeiden. Die Terrassen sind heute vor allem aus der Blickrichtung des Aachener Weihers gut erkennbar.

Eine offene Frage war, wie die Anpflanzung erfolgen sollte. Es war schlicht nicht genug Erde vorhanden, um den Schutt zu bedecken. Schließlich entschieden sich Schönbohm & Co., direkt in die Trümmer zu pflanzen. Sie hofften darauf, dass der Altstadtschutt mit seinem hohen Lehm- und Kalkgehalt einen fruchtbaren Boden bieten würde. Rückblickend berichtete Schönbohm:

„Diese Methode (…) bewährte sich schließlich, und nach ein paar Jahren hatten sich die Schutthaufen zunehmend in einen grünen Pelz gehüllt, der von Jahr zu Jahr dichter und höher wurde.“

Kurt Schönbohm, Köln: Grünanlagen 1945-1975, Köln 1988, S. 31.

Der Aachener Berg heute

Die Hoffnung der Planer, dass die Kölner den grün bepelzten Trümmerberg am Aachener Weiher in Besitz nehmen würden, bewahrheitete sich. Heute bevölkern im Frühling und Sommer Spaziergänger, Familien, Picknicker, Sonnenanbeter, Hundehalter und Nachteulen den Ort rund um die Uhr. Jenseits der hügeligen Form, die so gar nicht zum Kölner Relief passen will, erinnert nichts daran, dass dies historischer Boden ist.

Wie es wohl im Hügel selbst aussieht? Erkennt man noch einzelne Trümmer, zum Beispiel Ziegelsteine? Oder ist alles so verdichtet und zerbröselt, dass keine Einzelteile zu unterscheiden sind? Es wäre spannend, einen Tunnel zu bohren und einmal hineinzuschauen. Eine verrückte Vorstellung, dass dort Häuser, die über Jahrhunderte Menschen beheimatet haben, begraben liegen.

Der Aachener Berg ist schließlich ein stummes Zeugnis der riesigen baulichen Veränderungen Kölns nach dem Zweiten Weltkrieg. Eines der Bücher, das ich für diesen Blogbeitrag genutzt habe, trägt den passenden Titel „Das neue Köln“. Es stammt von 1950. Darin stellen Architekten, Stadt- und Landschaftsplaner ihre Ideen für die Umgestaltung der Stadt vor. Sie reichen von grün bepelzten Trümmerbergen bis hin zum Projekt eines Großflughafens, von Problemen des Kraftwagenverkehrs (manche Themen bleiben aktuell…) bis zu Kirchenbauten.

Sicher schmerzte der Anblick der zerstörten Stadt viele, gleichzeitig ist in dem Buch eine gewisse Aufbruchsstimmung zu greifen. Was für eine Möglichkeit, hier etwas ganz Neues zu schaffen! Der Aachener Berg war dabei eine eher unauffällig-zeitlose städtische Veränderung nach 1945. Ich bin gespannt auf weitere Zeugnisse des Wiederaufbaus, weitere Fundstücke des „neuen Köln“!

Zum Weiterlesen:

https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-315843
Eintrag zum Hiroshima-Nagasaki-Park in der Datenbank Kultur.Landschaft. Digital. Einige Hintergründe zum Maifeld, dann Schwerpunkt auf der Namensgebung in Erinnerung an Hiroshima und Nagasaki.

Kurt Schönbohm, Köln: Grünanlagen 1945-1975, Köln 1988, S. 31.
Autobiografischer Rückblick des früheren Leiters des Kölner Grünflächenamtes mit kleinem Kapitel über die Trümmerberge.

Rudolf Schwarz, Das neue Köln. Ein Vorentwurf, Köln 1950.
Rudolf Schwarz war einer der Architekten, die den Wiederaufbau Kölns maßgeblich prägten, vor allem im kirchlichen Bereich. Das Buch enthält ein Kapitel eines Gartenarchitekten über „Trümmerberge und ihre Begrünung“.

3 Kommentare

Kommentar verfassen