Zu vulgär, zu komplex, nicht französisch genug

Wer aufmerksam durch Köln geht, kann sie an verschiedenen Ecken entdecken: die deutsch-französischen Straßenschilder. Die in Stein gehauenen Schilder sind mal versteckt, mal gut sichtbar, manche sind kaum lesbar, andere edel mit goldener Farbe nachgezeichnet. An der Aachener Straße, in die Mauer des Melaten-Friedhofs ist dieses Schild eingelassen:

Und in der Innenstadt kann man an der Ecke Krebsgasse / Brüderstraße dieses Exemplar entdecken. Umgeben von rotem Backstein informiert es, dass diese Straße dereinst „rue de l’écrevisse / Krebsgasse“ hieß.

Die zweisprachigen Straßenschilder gehen auf die französische Besatzung Kölns zwischen 1794 und 1814 zurück. Ausgedacht hat sich die Straßennamen Ferdinand Wallraf. Der Gelehrte lebte von 1748 bis 1824 und war Professor sowie Rektor der alten Kölner Universität. Während der Franzosenzeit wurde er Conservateur des Monuments (Stadtkonservator), in dieser Funktion gestaltete er unter anderem den Melaten-Friedhof. Der Nachlass Wallrafs, vor allem seine Kunstsammlung, befindet sich heute im Wallraf-Richartz-Museum in der Innenstadt.

1811 erhielt Wallraf von der Stadtregierung den Auftrag, sich der Kölner Straßennamen anzunehmen und sie ins Französische zu übersetzen. Der Professor schritt zur Tat. Dabei hielt er nicht nur den Status quo fest, sondern wurde kreativ, wenn er Straßennamen ablehnte.

Aus alt mach neu

Erschienen Wallraf Straßennamen als zu vulgär, benannte er sie um. So geschehen mit der Kotzgasse, die er kurzerhand in Kostgasse oder rue des traiteurs umtaufte. Der Gelehrte sah ebenfalls Handlungsbedarf, wenn Straßennamen Präpositionen enthielten. So nahm er einige Veränderungen im Sinne der Vereinfachung vor:

alter Nameneuer NameÜbersetzung
Vor den MinoritenMinoritenstraßerue des mineurs
An St. CatharinenKreuzfahrerplatzplace des croisés

Schließlich nutzte Wallraf Straßennamen, um Kölns Verbundenheit mit Frankreich zu demonstrieren. Die place Napoléon, die An den Augustinern ersetzte, ist ein sehr eindeutiges Beispiel dafür. Doch die Verbindung zum Empire sollte auch über die gemeinsame römische Vergangenheit dargestellt werden. Deshalb taufte Wallraf den Gülichplatz in place Jules César (Juliusplatz) und den Malzbüchel in place Agrippa (Agrippaplatz) um.

Dabei wählte er nicht nur die römische Antike als Bezugspunkt. Auch die Franken kamen zur Sprache. Der Domhof hieß nun Kaiser-Karl-Platz bzw. place Charlemagne und ehrte Karl den Großen als gemeinsamen deutsch-französischen Ahnherr. Und der Elogiusplatz wurde zum Chlodwigplatz oder place Clovis in Gedenken an den Frankenkönig des 5. Jahrhunderts.

Von kurzer Dauer

Der Stadtbevölkerung blieb kaum Zeit, um sich an die neuen Namen zu gewöhnen. Ab Dezember 1812 waren sie in Kraft. Da war Napoleons Stern schon im Sinken. Als die Preußen an den Rhein kamen, machten sie ab 1816 vieles rückgängig. Vor allem über die place Napoléon mussten sie wohl nur kurz nachdenken.

Manche Bezeichnungen und Straßennamen blieben aber bestehen. Und in noch selteneren Fällen haben auch die zweisprachigen Straßenschilder überlebt. Sie sind für die aufmerksame Spaziergängerin noch heute vereinzelt im Kölner Stadtbild zu entdecken.

Zum Weiterlesen:

Das Rheinische Bildarchiv hat ein sehr schönes Dokument, ein Namensverzeichnis mit den Umbenennungen von 1812: https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/05147231/rba_d033413

Und die Museen der Stadt Köln erzählen hier die Geschichte der Zeughausstraße / rue de l’Arsenal hinter dem Stadtmuseum: https://museenkoeln.de/portal/bild-der-woche.aspx?bdw=2012_50

Kommentar verfassen