Das Kriegerdenkmal in Kalk

Was findet die neugierige Spaziergängerin auf dem alten Friedhof Kalk? Ein mysteriöses Kriegerdenkmal, bei dem der militärische Bezug klar, aber der konkrete Zweck lange nicht mehr ersichtlich ist. Schauen wir uns das Ganze genauer an.

Wir betreten den alten Friedhof von der Kapellenstraße über den ersten Eingang, passieren vereinzelte Grabstätten und orientieren uns am höchsten (und einzigen) Denkmal im Park. Es steht etwas hinter Bäumen versteckt mittig im Park.

Das Kriegerdenkmal auf dem alten Friedhof Kalk

Lorbeer, Kanonen und ein kopfloser Adler

Das Denkmal steht auf drei Stufen und einem quadratischen Unterbau. Auf dem Unterbau ruht ein Quader, der auf zwei von vier Seiten folgendes Motiv trägt: einen Kranz, zur Hälfte aus Eichenlaub und zur Hälfte aus Lorbeer, mit einem Schild in der Mitte, auf dem keine Inschrift mehr erkennbar ist. Auf den beiden „leeren“ Seiten muss früher auch etwas gewesen sein, zumindest sieht die Oberfläche bearbeitet aus.

Das Kriegerdenkmal aus der Nähe

Auf diesem ersten Quader sitzt, etwas zurückgesetzt hinter Säulen, ein weiterer Quader. Er ist auf allen vier Seiten blank, wobei Befestigungen davon zeugen, dass hier dereinst Tafeln befestigt waren. Über den Tafeln erkennen wir, fast am besten erhalten, auf allen vier Seiten militärische Insignien wie Kanonenrohre und Säbel. Mein persönlicher Favorit ist der Adler mit weit geöffneten Flügeln, der seinen Kopf verloren hat und nun eher wie ein gerupftes Hühnchen aussieht.

Trauriger kopfloser Adler

Den oberen Abschluss bildet ein Steinpfeiler, auf zwei Seiten mit Siegerkranz und großen (Palm-?) Blättern dekoriert, mit einem darauf liegenden Helm. Der Helm versteckt sich im Moment in einer Holzkiste und kommt sicher im Frühling wieder zum Vorschein.

Seitenansicht des Kriegerdenkmals

Unser Fundstück hat einen klaren Kriegsbezug. Die militärische Ehrung spricht aus den gewundenen Kränzen aus Eichenlaub und Lorbeer. Auch die Kanonenrohre und Säbel kamen schon zur Sprache. Doch wer sollte hier geehrt werden? Auf der nach 1945 verschwundenen Marmorplatte auf dem unteren Steinquader stand:

Errichtet
zur Erinnerung
an die siegreichen Feldzüge
der Jahre 1864, 66, 70/71
von dem kameradschaftlichen
Krieger-Verein
zu Kalk

Unpolitisches Gedenken?

Tatsächlich ist dieses Fundstück der Bruder des Mülheimer Kriegerdenkmals, dessen Überreste nun auf dem Melaten-Friedhof zu sehen sind. So wie Mülheim, bis 1914 eine eigene Stadt, seiner Toten von 1866 und 1870/1871 gedachte, tat dies auch Kalk, bis 1910 eigenständig. Die verteilten Kriegerdenkmäler auf dem heutigen Stadtgebiet zeugen also auch von alten Gemeindestrukturen und vom Zusammenwachsen Kölns.

Was verbirgt sich hinter dem Kameradschaftlichen Kriegerverein zu Kalk? Kriegervereine waren ursprünglich Veteranenvereine, in denen sich heimgekehrte Soldaten der preußischen Kriege gegen Dänemark (1864), gegen Österreich (1866) und gegen Frankreich (1870/1871) zusammenfanden. Sie pflegten das gesellige Beisammensein, organisierten Beerdigungen von Kameraden und nahmen an patriotischen Umzügen teil. Schnell erweiterte sich die Zielgruppe der Kriegervereine auf alle wehrpflichtigen Männer und der Veteranencharakter trat in den Hintergrund. Unpolitisch waren die Vereine durchaus nicht. Sie zeigten sich militaristisch-kaisertreu und richteten sich explizit gegen die Sozialdemokratie und Arbeiterbewegung.

Auch der Kameradschaftliche Kriegerverein zog vor allem Mitglieder aus wohlhabenden Kreisen an. 1883 bemühten sie sich beim Kalker Stadtrat um einen Platz auf dem Friedhof für ein Kriegerdenkmal. 1886 wurde der Grundstein für das Denkmal gelegt, 1888 war es fertig. Viele Denkmalteile sind heute verschwunden, etwa die vier Tafeln mit den Namen der Kalker Toten. Ebenfalls verschwunden ist ein Engel, der ursprünglich anstelle des heutigen Helms den Abschluss bildete. Noch eine Figur, die in den Nachkriegswirren abhanden gekommen ist?

In diesem Fall lag sogar noch weniger Zeit zwischen Denkmalweihe und dem Verlust. Schon in den 1910er Jahren, etwa 25 Jahre nach der Fertigstellung, hatte der Engel ernsthaft Schaden genommen. Das lag wohl nicht zuletzt an den Abgasen der Kalker Chemiefabriken, die dem Stein zusetzten. Der Kriegerverein brachte die nötigen Mittel für die Reparatur nicht auf und bot der Stadt Köln – inzwischen war Kalk eingemeindet – großzügig an, das Denkmal zu übernehmen. Die machte kurzen Prozess mit dem Engel und ersetzte ihn am Vorabend des Ersten Weltkriegs durch den Helm.

Was bleibt also vom Kriegerdenkmal? Ein Denkmal, dessen Zweck sich der Spaziergängerin nur nach Recherchen erschließt. Eine Anfrage an die Kalker Geschichtswerkstatt, ob sie sich an der Restaurierung beteilige, was diese ablehnte, weil sie kein kriegsverherrlichendes Denkmal herrichten wollte. Ein Hauch Politik auf dem Friedhof des Arbeiterstadtteils Kalk. Und so ist es sehr passend, dass mein Ausflug nach Kalk mit diesem Turbokompressor an der Haltestelle Kalk Kapelle endet. War es doch gerade die Industrie Kalks, nun selbst der Vergangenheit angehörig, die dem Engel auf dem Kriegerdenkmal den Garaus gemacht hatte…

Haltestelle Kalk Kapelle: Turbokompressor in Erinnerung an die Kalker Industrie

Zum Weiterlesen:


Eberhard Becker und Michael Werling (Hg.), Der alte Friedhof in Köln-Kalk. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Eine Dokumentation in Text, Bild und Zeichnung, Köln 2008.
Hier kann man die Geschichte des Kriegerdenkmals kurz und knapp nachlesen. Auch das Vorwort der Geschichtswerkstatt Kalk lohnt sich, u.a. wegen der Frage, was man erhalten möchte und was nicht.

Klaus Saul, Der „Deutsche Kriegerbund“. Zur innenpolitischen Funktion eines „nationalen“ Verbandes im kaiserlichen Deutschland, in: MGZ 1969 (6), S. 95-159.
Nur kurz reingelesen, argumentiert stark für die Politisierung der der Kriegervereine gegen die Arbeiterbewegung.

https://fundstuecke.koeln/2022/01/01/napoleonstein/
Mir ist an anderer Stelle in Köln auch schon ein Veteranenverein begegnet, allerdings von den napoleonischen Kriegen in den 1810er Jahren. Quasi der Großvater der Kriegervereine ab den 1860er Jahren.

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