Auf dem Stadtplan Kölns gibt es eine Straße, die sich schnurgerade von der Innenstadt nach Westen zieht. Sie beginnt am Rudolfplatz, genauer gesagt der Hahnentorburg, passiert das Belgische Viertel, Lindenthal, Braunsfeld, Müngersdorf, Weiden… Die Rede ist von der Aachener Straße, über acht Kilometer lang und mit Hausnummern, die weit über 1000 gehen. Die Aachener Straße hat viel gesehen im Laufe ihres Bestehens. Lauft ein paar Meter und werft mit mir einen Blick in ihre Vergangenheit.
Kurze Geschichte einer langen Straße
Die Aachener Straße folgt einer Straße aus der Römerzeit, der Via Belgica. Diese Heerstraße führte von Köln nach Westen über Jülich, Heerlen sowie Maastricht in den Niederlanden und Tongern (Belgien) bis ins französische Boulogne-sur-Mer. Eine andere Abzweigung der Route ging bis an die Atlantikküste. Ihren Ausgang nahm die Via Belgica übrigens in der von den Römern als Ost-West-Verbindung angelegten Schildergasse in der Innenstadt.
Entlang der Aachener Straße finden sich heute noch Spuren aus der Römerzeit. Die spektakulärste trägt die Hausnummer 1328: das Römergrab in Weiden. Hier bestattete eine reiche Gutsfamilie ab der Mitte des 2. Jahrhunderts ihre Angehörigen. Es war lediglich der Bestattungs- und nicht der Wohnort der Familie. 1843 entdeckte ein Anwohner die Grabkammer eher zufällig. Sie ging dann an den preußischen Staat über und ist heute als Museum zu besichtigen.

Im Mittelalter blieb die Aachener Straße wie in römischer Zeit dünn besiedelt. Entlang der Straße wurde im 12. Jahrhundert auf dem Areal des heutigen Melaten-Friedhofs ein Siechenheim für Leprakranke gegründet. Das Wort „Melaten“ vom französischen „malade“ (krank) erinnert noch heute daran. Feierlich ging es wiederum zu, wenn die in Aachen gesalbten Herrscher des Heiligen Römischen Reichs über die Aachener Straße in Köln Einzug hielten. An der Hahnentorburg nahm sie der Erzbischof in Empfang. Daher rührt die zeitgenössische Bezeichnung Krönungsstraße für die Aachener Straße, die damals vor den Toren der Stadt lag.

Die Straße trug im Laufe der Zeit wechselnde Namen, die vor allem die Ausrichtung nach Westen beschrieben. Auf einer Kölner Stadtansicht von 1570 heißt sie „Straiß off Antorff“ (Straße nach Antwerpen). Im 17. und 18. Jahrhundert ist der allmähliche Übergang zu Aachen als Namenspate auf Karten nachvollziehbar.
Aus der Zeit der französischen Besatzung zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist ein Straßenschild der „Aachener Chaussée / Chaussée d’Aix la Chapelle“ erhalten. Es befindet sich an der Mauer des Melaten-Friedhofs und ist eines der weniges zweisprachigen Straßenschilder, die wir heute noch in Köln finden.

Im Mai 1882 beschloss die Stadtverordnetenversammlung, die Aachener Chaussee in Aachener Straße umzubenennen. Glaubt man dem Protokoll der Sitzung, folgte das Gremium damit dem allgemeinen Sprachgebrauch. Im (komplett digitalisierten!) Protokoll heißt es in schön altertümlichem Verwaltungsdeutsch:
„Der Oberbürgermeister macht darauf aufmerksam, daß z. B. der Name Aachener Straße sich festsetze, während wir hier deliberiren.“
Verhandlungen der Stadtverordneten-Versammlung zu Köln, 19. Sitzung vom 4. Mai 1882, S. 155. Der heute unübliche Begriff „Deliberieren“ bedeutet Abwägen, Beratschlagen.
Das späte 19. Jahrhundert brachte der Aachener Straße mehrere Bebauungswellen. Den Anfang machte der Part zwischen Hahnentorburg und Melaten-Friedhof. Hierfür spielte der Bau der Kölner Ringe ab den 1880er Jahren eine große Rolle. Westlich des Friedhofs nahm die Bebauung Ende des 19. Jahrhunderts mit der Eingemeindung von Braunsfeld und Müngersdorf Fahrt auf. Eine Idee von der Aachener Straße im Kaiserreich vermittelt eine Postkarte von 1903. Sie zeigt die Ecke Aachener / Moltkestraße.

Auf der Postkarte gibt sich die Aachener Straße urban: vierstöckige Wohnhäuser, Straßenbeleuchtung, Geschäfte, die Gleise der Pferdebahn – Vorläufer der Straßenbahn – und natürlich ein Reiterdenkmal auf einem Dach. Wir reden immerhin über Preußen!
Auch das 20. Jahrhundert brachte große Bauprojekte. Unter der Ägide Adenauers wurde der Sportpark Müngersdorf errichtet, inklusive Stadion, Radrennbahn und weiterer Anlagen. Ebenfalls in der Zwischenkriegszeit entstand der Aachener Weiher. Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs daneben der Aachener Berg empor, ein Trümmerberg mit dem Schutt des kriegszerstörten Köln. Heute ist die Aachener Straße eine vielbefahrene Ausfallstraße mit zwei Straßenbahnlinien. Sie endet westlich von Köln und geht in die L361 über.
Eine Straße macht Geschichte
Die alte Dame Aachener Straße strukturiert Köln schon seit knapp 2000 Jahren. Dabei hat die Ost-West-Verbindung unterschiedliche Namen getragen, verschiedenen Zwecken gedient und ihr Gesicht stark verändert. Von der Heerstraße über die dünn besiedelte Straße vor den Toren des mittelalterlichen Kölns bis hin zur Urbanisierung des Westens am Ende des 19. Jahrhunderts: Die verschiedenen Stadien spiegeln die Entwicklung der Stadt als solcher.
Geht man die Aachener Straße aufmerksam entlang geht, gibt es allerlei Spuren dieser Vergangenheit zu entdecken. Die Plakette am Rudolfplatz, die an den Stadtbaumeister Stübben, den Erbauer der Neustadt und der Ringe, erinnert. Der Aachener Weiher, der Melaten-Friedhof, das deutsch-französische Straßenschild. Die Spuren eines römischen Gutshofs auf dem Gelände des Sportparks Müngersdorf. Viele Fundstücke mit Geschichten, die sich dahinter verbergen.
Wenn du wissen möchtest, wie dein Veedel früher aussah, dann schau dir am besten diese Seite von der Stadt Köln an. Hier kannst du historische Stadtkarten von 1492 bis heute auswählen, Kartenausschnitte nebeneinander stellen und ganz nebenbei Köln im Zeitverlauf wachsen sehen.
Zum Weiterlesen:
Hier gibt es einen schönen Überblick über das antike Köln im heutigen Stadtbild: https://www.erlebnisraum-roemerstrasse.de/das-projekt/kommunen/koeln/













































