Der Napoleonstein

Wir betreten den Melaten-Friedhof über den rechten Eingang an der Aachener Straße und damit rechts von der Kapelle. Geradezu liegt der Hauptweg Nord-Süd. Folgen wir diesem Weg immer geradeaus, passieren wir drei Denkmäler, die aus verschiedenen Perspektiven von deutsch-französischer Geschichte erzählen.

Schon nach wenigen Metern sehen wir ein Hochkreuz in der Mitte der Nord-Süd-Achse. Das Kreuz erinnert gemeinsam mit der davor eingelassenen Bodenplatte an die im Ersten Weltkrieg verstorbenen Friedhofsmitarbeiter Kölns. In der linken hinteren Ecke des Hochkreuzes entdecken wir eine fast unauffällige Stele. Bei ihr sticht der farbliche Unterschied zwischen der hellen sandsteinfarbenen Stele und dem deutlich dunkleren, teilweise bemoosten Abschluss nach oben und unten ins Auge. Das Denkmal trägt auf der Vorderseite die Aufschrift

„Zum Andenken an die unter den Armeen Napoleons fern von ihrer Heimath gefallenen Krieger der Stadt Coeln. Errichtet von ihren heimgekehrten Cameraden am 6. Juli 1853.“

Der Napoleonstein

Es ist ein Veteranendenkmal für die gestorbenen Soldaten der napoleonischen Kriege – ein Napoleonstein. Napoleon, auf den auch die Errichtung des Melaten-Friedhofs zurückgeht, begegnet uns hier ein zweites Mal.

Was sehen wir?

Das Fundstück ist ein Steinquader mit der oben genannten Inschrift auf der Vorderseite. Auffällig ist die veraltete Rechtschreibung bei den Wörtern Heimath und Cameraden und natürlich das C in Coeln, das heute einem K gewichen ist. Auf den drei anderen Seiten sehen wir aufgelistet Namen von Männern mit Geburts- und Sterbedatum sowie Armeegrad.

Dem Sterbedatum nach zu urteilen, kann es sich nicht um die „fern von ihrer Heimath gefallenen Krieger“ handeln, sondern nur um die Stifter. Die Sterbedaten bewegen sich zwischen den 1840ern und den 1870er Jahren und damit deutlich nach den napoleonischen Kriegen. Der Dienstgrade der Stifter sind in französischer Sprache gehalten. Wir lesen zum Beispiel von

„Stollwerck, Nic., geb. 1788
cuirassier du 11me regt.“

Der Veteran Nic. Stollwerck hatte als Kürassier, also in der Kavallerie, des 11. Regiments gedient. Er starb 1851, vor Errichtung des Napoleonsteins. Dieses Schicksal teilt er mit vielen verzeichneten Stiftern, sodass die drei Seiten fast den Charakter einer Mitgliederliste des Veteranenvereins von der Gründung bis zum Erlöschen bekommen. Wie vollständig die Liste ist, wissen wir natürlich nicht. Die Tatsache, dass die Dienstgrade in französischer Sprache aufgeführt sind, verweist auf den Dienstherrn: Die Kölner Soldaten hatten auf Seiten Frankreichs gekämpft, war Köln doch ab 1794 Teil des Empire français.

Der Fuß der Stele ist bemoost. Dennoch sind Blumenornamente erkennbar, die sich um die vier Seiten winden. Den oberen Abschluss bilden ebenfalls geometrische Blumenornamente, an den vier Ecken befinden sich Adler. Auf der Stele sitzt ein kleinerer Quader, auf dessen Vorderseite sechs gekreuzte Flaggen und ein gekröntes N für Napoleon zu sehen sind. Auf dem Quader thront als krönendes Element ein Helm im antiken Stil auf einem Mantel. Wir erkennen den klassizistischen Baustil mit seiner Liebe für die Antike und der Geometrie der Ornamente. Der Bezug zu Napoleon wird bildlich anhand des kaiserlichen Adlers und des N deutlich.

So viel Begeisterung für Napoleon im Jahr 1853, als das Denkmal errichtet wurde? Da war doch was… Was das alles mit Preußen und der Erinnerung an die falsche Sache zu tun hat, kannst du in Teil 2 weiterlesen.

5 Kommentare

  1. Annegret Stein sagt:

    Gefällt mir sehr gut

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  2. Horscht sagt:

    Tip top, ergiebiger Text, chapeau!
    Für die „falsche Sache“ erscheint wie eine steile These, vieles war ja auch mal die richtige Sache!
    Wie die Dinge sich ändern: 20 Jahre am Hindukusch für Deutschland gestorben und die Taliban bekämpft – jetzt fliegen wir sie im Privatjet für Verhandlungen ein. Was war nochmal die falsche Sache? 😉

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